Kein Umzug bei psychischen Erkrankungen – Wenn ein Wohnungswechsel zur Belastung wird

INFO: Umzug bei psychischer Erkrankung – Das musst du wissen

  • Du musst nicht umziehen, wenn dadurch deine psychische Gesundheit gefährdet wird.
  • Ein ärztliches Attest vom Psychiater oder Neurologen ist Pflicht, wenn du beim Jobcenter bleiben willst.

  • Das Jobcenter darf dich nicht zwingen, wenn ein Umzug gesundheitlich nicht zumutbar ist (§ 22 SGB II).

  • Bei Problemen kannst du Widerspruch einlegen und dich rechtlich beraten lassen – oft kostenlos.

  • Gerichte haben mehrfach entschieden: Gesundheit geht vor Kostensenkung.

(Erfahrungen, Einblicke & Hilfe für Betroffene – mit Fokus auf das Jobcenter und rechtliche Möglichkeiten bei psychischen Gründen)


„Ich schaff das nicht. Wirklich nicht.“

So klang es am Telefon, als mir vor ein paar Monaten ein Kunde aus Hannover abgesagt hat – und zwar nicht, weil er keinen Umzug wollte, sondern weil er einfach nicht konnte.

Diagnose: rezidivierende depressive Störung.

Ein geplanter Wohnungswechsel hatte ihn in eine komplette Krise gestürzt. Und irgendwann war klar: Dieser Umzug ist aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich.

Das war das erste Mal, dass ich direkt miterlebt habe, wie tiefgreifend ein Ortswechsel bei psychischen Problemen wirken kann – und dass es nicht nur um Kisten und Möbel geht, sondern manchmal ums pure Überleben.

Dieser Text ist für Menschen wie ihn. Oder für Angehörige, die verstehen wollen, was möglich ist, wenn ein Umzug aus psychischen Gründen nicht zugemutet werden kann. Und was das Jobcenter, Ärzt:innen und Gerichte dazu sagen.


Wenn der Umzug krank macht – oder krank hält

Ein Umzug bedeutet für viele Stress. Aber für Menschen mit einer psychischen Erkrankung wie Depression, Angstneurose oder einer dekompensierenden Störung bei situativer Belastung kann ein Wohnungswechsel ein massiver gesundheitlicher Einschnitt sein.

Wir reden hier nicht von „ein bisschen nervös wegen neuer Nachbarn“, sondern von:

  • Schlaflosigkeit
  • Angstattacken
  • deutlicher Verschlechterung der psychischen Gesundheit
  • bis hin zu stationären Einweisungen

Und genau deshalb gibt es Ausnahmen im Gesetz, die regeln, wann ein Umzug nicht zumutbar ist – besonders, wenn das Jobcenter eine Kostensenkung verlangt oder die Unterkunft für unangemessen hält.


Das sagt das Gesetz: § 22 SGB II und das „Recht auf Wohnung“

Normalerweise zahlt das Jobcenter nur die Aufwendungen für die Unterkunft. angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Ist die Miete zu hoch, wird oft ein Umzug verlangt.

Aber: Wenn der Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist, kann die aktuelle Wohnung weiter bezahlt werden.

Entscheidend ist der Einzelfall. Und: Es muss ein ärztliches Attest vorliegen.

Wichtig: Nicht irgendein Attest – sondern eins vom behandelnden Neurologen oder Psychiater, das belegt, dass ein Umzug eine gravierende gesundheitliche Verschlechterung Ein Umzug wäre nicht zumutbar, wenn gesundheitliche Probleme vorliegen.


Praxisbeispiel: Landessozialgericht NRW – L 5 AS 1904/16

In einem Urteil des BVerfG wurde die Bedeutung von gesundheitlichen Beeinträchtigungen hervorgehoben. Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen wurde einer Frau mit mittelschweren depressiven Episoden der Verbleib in ihrer Wohnung erlaubt, obwohl die Miete über dem Richtwert lag. Grund: Eine neue Wohnung zu finden und der Umzug an sich wären ihr nicht zumutbar gewesen.

Das Attest ihres Psychiaters spielte eine Schlüsselrolle: Darin stand, dass sie sich in Bei ständiger psychiatrischer Behandlung kann ein Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten bestehen. Das BVerfG befand, dass gesundheitliche Probleme bei der Verhandlung von Wohnhilfen berücksichtigt werden müssen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen können zu einem Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten führen. ausgesetzt wäre, wenn sie umziehen müsste. Das Gericht stellte klar: Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit wiegt schwerer als Sparmaßnahmen beim Jobcenter.

Quelle: LSG NRW, L 5 AS 1904/16


Wann ist ein Umzug aus psychischen Gründen „nicht zumutbar“?

Diese Punkte spielen laut Gerichten eine Rolle:

  • Besteht eine diagnostizierte psychische Erkrankung?
  • Gibt es eine aktuelle psychiatrische Behandlung?
  • Droht durch einen Umzug eine gesundheitliche Verschlechterung?
  • Ist ein ausreichendes ärztliches Attest vorhanden?
  • Gibt es Alternativen zur aktuellen Wohnsituation?

Kurz gesagt: Man muss gut belegen können, warum ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Und warum es keine angemessene Alternative gibt, die zumutbar wäre.


Das richtige Attest: Kein Wisch vom Hausarzt

Das größte Problem, das wir im Alltag sehen: Falsche Atteste können zu einer Kündigung des Anspruchs auf Leistungen führen..

Viele holen sich ein „Unwohlsein“-Attest vom Hausarzt – und das wird in 90 % der Fälle vom Jobcenter abgelehnt.

Was zählt:

  • Diagnose einer psychischen Erkrankung (z. B. rezidivierende Depression, Angststörung etc.)
  • Beschreibung der gesundheitlichen Situation
  • Konkrete Gefahren durch den Umzug (z. B. Suizidalität, Retraumatisierung, Rückfall)
  • Bestätigung, dass eine ständige psychiatrische Behandlung erfolgt

Je detaillierter, desto besser. Sonst hat man keine Chance, etwa beim Widerspruch oder Klage vorm Sozialgericht.


„Die denken, ich simuliere“ – Realität im Jobcenter

Viele Betroffene berichten, dass sie sich Menschen mit gesundheitlichen Problemen fühlen sich oft nicht ernst genommen.. Dass Sachbearbeiter pauschal sagen:

„Dann suchen Sie halt eine kleinere Wohnung.“

Oder schlimmer:

„Psychisch krank? Dann melden Sie sich stationär – aber umziehen müssen Sie trotzdem.“

Solche Sätze sind nicht nur menschlich falsch, sondern rechtlich angreifbar. Denn niemand darf aus gesundheitlichen Gründen zu einem Umzug gezwungen werden, wenn dadurch der Gesundheitszustand gefährdet wird.

Und wer hier Hilfe braucht: Es gibt lokale Beratungsstellen, z. B. in Hannover, Köln, Essen oder Düsseldorf, die sich genau auf solche Fälle spezialisiert haben – oft in Kooperation mit Sozialrechtsanwälten oder psychiatrischen Diensten.

Tipp: In vielen Städten kann man sich kostenlos beraten lassen. Google mal „Sozialberatung + Stadtname“.


Reale Konsequenzen: Was passiert, wenn du doch umziehst?

Einige Betroffene geben irgendwann auf, ziehen trotz Attest um – aus Angst vor Sanktionen oder Kürzungen.

Was dann oft passiert:

  • Rückfall in Depression
  • Abbruch der Therapie
  • Verlust der neuen Wohnung durch Überforderung
  • Langfristige Arbeitsunfähigkeit

Ein Fall aus Düsseldorf: Ein junger Mann mit depressiver Störung zog nach Druck des Jobcenters um, bekam eine Panikattacke beim Einzug, konnte sich wochenlang nicht mehr strukturieren – und verlor nach 3 Monaten die neue Wohnung wieder.

Das ist kein Einzelfall. Und genau deshalb: Wenn du betroffen bist – solltest du deinen Anspruch auf Übernahme prüfen. kämpfe. Hol dir Hilfe. Lass dir von Profis erklären, was dir rechtlich zusteht.


Was tun, wenn das Jobcenter den Umzug verlangt?

1. Attest besorgen

Von Fachärzt:innen. Kein Hausarzt-Zettel kann den Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten gefährden.

2. Widerspruch einlegen

Du hast einen Monat Zeit, schriftlich zu widersprechen.

3. Rechtsberatung holen

Viele Städte bieten kostenlose Sozialrechtsberatung an.

4. Klage prüfen

Wenn das Jobcenter trotzdem Leistungen kürzt – ab zum Sozialgericht. Oft mit Erfolg.


Und was ist mit Menschen, die umziehen wollen, aber es psychisch nicht schaffen?

Das andere Extrem: Du willst raus, brauchst dringend eine neue Wohnung – aber deine psychische Erkrankung blockiert dich.

Auch hier gilt: Lass dir helfen. In vielen Städten gibt es Normalerweise zahlt das Jobcenter nur die begleiteten Wohnhilfen, die bei gesundheitlichen Problemen unterstützen. oder psychosoziale Unterstützungsangebote, die genau darauf spezialisiert sind, dich beim Wohnungswechsel trotz psychischer Probleme zu begleiten.

Such nach:

  • „Betreutes Wohnen ambulant + Stadt“
  • „Wohnhilfen psychische Erkrankung + Stadt“
  • „Begleiteter Umzug psychisch krank + Stadt“

Persönliches Fazit

Psychische Erkrankungen sind keine Ausrede. Sie sind real.

Und sie dürfen niemanden zu einem Umzug zwingen, wenn dieser gesundheitlich nicht zumutbar ist.

Das Problem: Viele wissen nicht, dass sie Rechte haben. Oder dass das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen mehrfach klargestellt hat: Gesundheit geht vor Sparzwang.

Ich hoffe, dieser Text hat dir Klarheit gegeben. Und wenn du selbst betroffen bist oder jemanden kennst – gib ihm oder ihr diesen Artikel weiter. Er kann den Unterschied machen, wenn es um die Verhandlung der Wohnhilfen geht.


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